Holzer Adi (1936 geb.)
Adi Holzer wurde am 21. April 1936 in der niederösterreichischen Stadt Stockerau geboren. Sein Vater, der Kaufmann Otto Holzer, hatte eine Lebensmittelgroßhandlung und starb 1942 im Alter von 33 Jahren; Adi Holzer war damals sechs Jahre alt. Seine Mutter Anna Maria Holzer heiratete 1944 Leo Kantor, den Gutsverwalter im Schloss Seebarn bei Graf Wilczek. Adi Holzers Kindheit wurde von den Ereignissen des Krieges und der Nachkriegszeit geprägt. Die Flucht vor den russischen Truppen und der daraus resultierende häufige Wechsel des Wohnsitzes führte zu Aufenthalten 1944 im Schloss Seebarn, 1945 auf Schloss Moosham im Salzburger Lungau, 1946 in Retz bei seiner Großmutter Anna Fenk (Omi genannt) und seiner Tante Maria Fenk (Tante Muz genannt) und im Sommer 1947 auf der Burg Kreuzenstein bei Wien. Die Tante Muz war eine seiner Lieblingstanten[1], er fühlte sich ihr sehr verbunden. Sie war phantasiebegabt und träumerisch, visionär und hellseherisch, weltoffen und kontroversiell. In seinem Spätwerk erscheint sie unter dem Bildtitel Die lächelnde Tante. Seine frühen Kindheitserinnerungen verarbeitete er in seinen Büchern Spuren der Kindheit (1977), Imaginäres Tagebuch: Zwischen Himmel und Erde (1996), Welt und Traum. Erinnerungen bevor alles verweht … (2009) und in seinem Bildzyklus Welt der Kindheit. Sein Schwiegervater Leo Kantor starb im Jahr 1954 nach einem Herzinfarkt.
Adi Holzer besuchte in Stockerau das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium und machte dort 1955 seine Matura. Auf dem Jahrmarkt begeisterten ihn die Hutschenschleuderer und die Zirkusdarbietungen mit dem Magier, der Kunstreiterin, dem Seiltänzer, dem Säbel- und Feuerschlucker, dem Löwenbändiger und der Frau ohne Unterleib.[2] Diese Große außerordentliche Kunstvorstellung mit dem Manegenzauber wurde später zu einem der wichtigen Themen seines Kunstschaffens.
Bei der Maturareise lernte er 1955 in Nizza seine Frau, die dänische Medizinstudentin und spätere Kinderärztin Kirsten Inger Mygind, kennen, die von ihm nach ihren Initialen Kim genannt wird. In den Jahren 1955–1960 studierte er an der Akademie der bildenden Künste Wien bei den Professoren Robin Christian Andersen und Herbert Boeckl. Er schloss sein Studium 1960 mit dem Diplom für Malerei ab. Anschließend arbeitete er 1960–1962 in Kärnten als Kunsterzieher am Bundesrealgymnasium Klagenfurt am Völkermarkter Ring.
Nach seiner Heirat mit Kim 1962 in Dänemark und Flitterwochen im südlichen Österreich übersiedelte er nach Hareskovby im Nordwesten von Kopenhagen. Er lernte 1965 den Clown Charlie Rivel und 1969 den dänischen Lyriker Jörgen Holmgaard kennen. Mit diesen beiden Persönlichkeiten arbeitete er in Buchveröffentlichungen zusammen; die Freundschaft mit ihnen prägte sein Lebenswerk. Er malte und radierte Charlie Rivel, schuf von ihm Plastiken und Glasskulpturen, und er widmete ihm das Buch "clown!" hommage a charlie rivel. Seine Freundschaft mit dem Enkel von Charly Rivel, dem Clown Benny Schumann, führte zu zahlreichen Auftritten dieses Artisten bei Vernissagen von Adi Holzer in Dänemark, Schweden und Österreich.
Im Jahr 1969 entschloss sich Adi Holzer, ausschließlich als bildender Künstler zu arbeiten und auf den Lehrberuf zu verzichten. Er baute 1974 im Nordwesten Kopenhagens in Værløse ein Gartenatelier als Anbau an den Backsteinbau Aladdins Hule. Im Garten fanden anlässlich seiner Atelierausstellungen Konzerte, Zirkusvorstellungen und Theateraufführungen vor bis zu dreihundert Zuschauern statt. Die Arbeitsaufenthalte in Venedig (1983), Bibione (1984), an der Côte d’Azur in Nizza, Menton, Haut de Cagnes (1983), Antibes (1984) und Vence (1995) haben sein Lebenswerk ebenso geprägt wie seine Reisen nach Ägypten (1969), in die USA (1977) und nach Israel (1980, 1982, 1987, 1996 und 2000). In Israel besuchte er am 29. September 1980 Arik Brauer in En Hod. Im Anschluß an die Israelreisen veröffentlichte er 2002 das Buch Israel – heiliges Land.
Sein Bruder Otto starb 1985 an einem Herzinfarkt. Im diesem Jahr arbeitete er in Kärnten. Dort erwachte in ihm der Wunsch nach einem Atelier in Kärnten. 1990 errichtete er es im Haus Holzer in Winklern im oberen Mölltal in der Nähe des Grossglockners; dort ist er Mitglied im Kärntner Kunstverein. Zahlreiche Bildwerke zeigen den Blick auf die Pfarrkirche Winklern und auf den Großglockner. In dem Pflegeheim Winklern schuf er 2003 großformatige Wandbilder in Seccomalerei zum Jahreszyklus Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Auch in der Umgebung von Winklern gestaltete er verschiedene Werke im öffentlichen Raum, beispielsweise 1998 ein Glasmosaik im Durchmesser von 2 Metern in der Wilhelm-Swarovski-Beobachtungswarte Grossglockner[3] auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Seine Verbundenheit mit Kärnten und der geistesverwandten Osttiroler Mundartdichterin Gertraud Patterer führte zu der Veröffentlichung ihrer Osttiroler Mundartgedichte in seinen Büchern Tauerngold.(1982) und Die Kosakentragödie in Kärnten und Osttirol (2007).
Adi Holzer nahm an mehr als 300 internationalen Ausstellungen, Kunstmessen, Biennalen und Triennalen in Europa, USA und Australien teil. Seine Bilder, Grafiken, Fresken, Mosaiken, Bronzeplastiken und Glasskulpturen befinden sich in öffentlichen Gebäuden und Sammlungen sowohl in Europa als auch in USA, Ägypten, Australien und Japan. Seit 2005 entstehen seine Glasskulpturen in den Glasstudios von Adriano Berengo Fine Arts in Murano / Venedig.
Zu seinen Leitbildern gehören Marc Chagall, James Ensor, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Emil Nolde, Rembrandt van Rijn und Henri de Toulouse-Lautrec, aber er entwickelt eine eigenständige Bildwelt, in der er österreichische und skandinavische künstlerische Traditionen fortführt. Einer seiner Weggefährten ist der dänische Bildhauer Niels Helledie; zusammen mit ihm gestaltete er die Innenräume der Theodor-Fliedner-Kirche im Marienstift Braunschweig und die Hasseris Kirche in Dänemark. Zu seinem Freundeskreis gehört Herbert Lederer. Sein Meisterschüler ist Toni Stangl, Meisterschülerinnen sind Sigrid Buchner, Michaela Moisl-Taurer, Daniela Neustädtler-Otruba (Pseudonym: „Daniel“), Margit Piffer, Christina Præstgaard, Brigitte Schraudolph, Kirsten Terp und Adelheid Torky.
Im Januar 2005 erteilte ihm die Braunschweiger Karneval-Gesellschaft von 1872 den Auftrag, den Karnevalsorden für die Session 2005/2006 zu entwerfen. Seit Dezember 2005 erarbeitet er in Zusammenarbeit mit Berengo Fine Arts in Murano Glasskulpturen. Sie entstanden bei seinen Arbeitsaufenthalten auf Murano im Dezember 2005, November 2006, November 2007 und Februar 2010. Die Auflage beträgt 6 nummerierte und signierte Exemplare zuzüglich 2 Exemplare mit den Bezeichnungen A.P. 1/2 und 2/2.
Adi Holzer ist gemeinsam mit seiner Frau Kim Sponsor[4] der Societatea Româna Speranta in Timișoara, Rumänien[5] und fördert mit sämtlichen Copyrighteinkünfte seiner Bildreproduktionen das Ferienhaus Speranta[6] (deutsch: Die Hoffnung) für behinderte Kinder im Retezat-Gebirge der Südkarpaten in der Ortschaft Raul de Mori im Kreis Hunedoara. Er finanzierte 1998 etwa 75 % der Baukosten dieses Ferienhauses und sponsert die laufenden Betriebskosten.
Adi Holzer schrieb im Juli 1982 in Kopenhagen:
Das Wichtige ist nicht immer wichtig (1976).
- "Der heutige Verkehr ist schneller, bequemer als je zuvor. Wir haben Verkehrszeichen. Sie sind die einzigen heute allgemein verständlichen Symbole. Früher gab es Symbole des Geistigen. Sie sind in Vergessenheit geraten. Bei meinen Ausstellungseröffnungen ist die häufigste Frage des Publikums: "was bedeutet das goldene Dreieck?" Das alte Gotteszeichen ist nicht mehr bekannt, wohl aber gefragt, wie man sieht. Symbole sind nicht entscheidend in der Malerei, zum Unterschied von den Begriffen, für die sie stehen. Aber sie sind ein brauchbares Gerät, ein vergessenes Alphabet sozusagen, das es neu zu entdecken gilt. Wir haben in unserem Lebensbereich alte Tabus über Bord geworfen und diese durch neue ersetzt. Man spricht kaum mehr über Religion, der Tod ist ein peinlicher Unfall. Ein unerklärliches Schamgefühl hindert viele von uns, das auszusprechen, was uns doch alle zuinnerst berührt. Den horizontalen Verkehr haben wir -zeitweise zumindest- recht gut geordnet. Die Verbindung nach oben jedoch ist wesentlich fragwürdiger geworden in einer Zeit, in der die größte Mangelware die Zeit selbst ist, die keiner mehr zu haben scheint, um die Frage zu stellen, die doch die wesentlichste im Leben ist: die Frage nach dem Sinn. Nun ist es zwar nicht Anliegen der Kunst, Fragen zu beantworten, wohl aber diese zu stellen. So war es schon immer - Kunst versucht das Unmögliche: Unerklärbares anschaulich zu machen. Wer sich also nicht mit dem Malen unverbindlicher Dekorationen begnügen will, hat den Versuch zu unternehmen, die alten Daseinsfragen neu zu formulieren."[7]
Adi Holzer schrieb im Juli 1984 in Kopenhagen inmitten des angstbeladenen Kalten Krieges:
- "Die Lebensanschauung des Materialismus hat uns hart an den Rand einer globalen Katastrophe gebracht. Wir wissen es - so kann es nicht weitergehen. Mehr denn je brauchen wir die Umkehr zum Wesentlichen. Die Kunst sucht eine Antwort auf das, was alle gefragt haben - die alten Ägypter genauso wie die Denker und Seher späterer Zeiten: Wer bin ich? Welchen Sinn hat das Leben? Verlassen wir wenigstens für eine Weile den Lärm, die Hektik, den Ameisenfleiß unserer Tage. Kehren wir zurück zu den Wurzeln. Gott sei Dank gibt es immer noch Tankstellen der Seele: die Musik, wogende Kornfelder, die Geborgenheit einer alten Dorfkirche oder die steingewordene Sehnsucht unserer Vorfahren - ihre Tempel und Kathedralen. Wenn Du Dir Zeit nimmst, wirst Du reichlich belohnt. Du kannst neue Hoffnung finden im Gesicht eines Engels aus farbglühendem Glas oder beseeltem Stein. Über Jahrhunderte hinweg kommt sein Blick von ferne her und durchdringt Dich - ernst oder auch lächelnd - immer aber voller Geheimnis. Er bringt Dir die trostvolle Botschaft von einer anderen Welt."